Lieber Herr Köhler!
Das war DIE Schocknachricht auf allen Kanälen. Sie sind zurückgetreten. Dabei habe ich mich vor cirka einem Jahr noch so gefreut, dass Sie die (Wieder)Wahl zu dem höchsten deutschen Amt gewonnen hatten! Und gefreut habe ich mich auch, wenn Sie mit Klarheit und manchem direkten Ansprechen auf missliche staatliche Verhältnisse oder Entwicklungen hingewiesen haben, die schief liefen.
Diese berechtigten Kritiken haben wohl nicht allen gefallen. Und Sie selber standen auch zunehmend “unter Beschuss”. Von “Wo ist eigentlich Horst Köhler?” bis hin zu “schwacher Repräsentation” lauteten die Vorwürfe. Das muss Sie geschmerzt haben.
Aber was in den letzten Tagen nach Ihrem Afghanistanbesuch abgegangen ist, war wohl für ihre Nerven, besser noch für Ihre Gefühle zuviel. Obwohl ich selbst auch in gewisser Weise dazugehöre – ich finde, der Journalismus in Deutschland überbordet einfach zu stark. Da werden Angriffe gestartet, eine starke, kritische und oft auch überzogene Wortwahl benutzt, da werden Sachbezüge und Personen in einen Topf geworfen. Die Schlagzeilen müssen Knaller sein – egal, ob die betroffenen Personen wirklich beteiligt waren oder nicht. Nun sind auch Sie Opfer solcher harschen Kritik geworden. Weil Sie (oder Ihr Redenschreiber) nicht genau definiert haben, was Sie genau meinten…
So kann es gehen – wie Hyänen stürzt man sich auf definitive Opfer. Natürlich wissen Sie als geübter Staatsmann, dass öffentliche Anmerkungen möglichst wasserdicht abgedeckt sein sollten – aber nicht immer gelingt das. Wir leben in einem gnadenlosen (Medien) Zeitalter, in dem Fehler knallhart bestraft oder Rücktritte eingefordert werden.
Sie haben den Sprung nach vorn angetreten, indem Sie zurückgetreten sind. Meinen vollen Respekt haben Sie dafür.
Wenn ich es auch außerordentlich bedaure – weil Sie mir menschlich und auch staatsmännisch sehr sympatisch sind/waren – wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau, dass Sie nach dem ganzen Trubel, der jetzt stattfindet, zu innerer Ruhe zurückfinden. Vielleicht verwindet man solche massiven Angriffe nie ganz richtig – aber Gott, an den Sie glauben, kann auch das in Ihrem Leben bewirken. Öl auf Ihre Verwundungen giessen. Ihnen verzeihende Liebe ins Herz schenken für alle generischen Angriffe.
Denn es wäre so schade, wenn Sie die nächsten Jahre in Bitterkeit zubringen würden. Das würde überhaupt nicht zu Ihnen passen.
Noch mal: Wir wünschen Ihnen, dass nach diesen Tagen für Sie wieder die Sonne aufgeht und Sie zu einem normalen und guten Leben zurückfinden, immer mit dem Bewusstsein, dass Gott grösser ist als jede Staatsaffäre.
Mit herzlichen Grüssen aus dem Schwarzwald,
Ihr Andreas Meißner
Anmerkung von Thorsten:
Ich fand diesen offenen Brief so toll, dass ich ihn unbedingt hier noch einmal veröffentlichen musste. Danke an Andreas Meißner für diese Zeilen.
Die Erklärung von Horst Köhler findet man im Übrigen unter: http://www.bundespraesident.de/-,2.664352/Erklaerung-von-Bundespraesiden.htm
Quelle Text: http://mein-gott-und-die-welt.erf.de/?p=1775
Quelle Bild: http://www.bundespraesident.de