Kopfkino.

Da laufe ich. Dick eingepackt. Der schwarze Schal spendet wohltuende Wärme. Der dicke Pulli unter der Jacke ein wohltuendes Gefühl. Es regnet. Der Wind drückt mich hin und her, als ob er nicht wissen würde, ob er es gutheißen solle, dass dieses Michelinmännchen gen Wald pilgert.

Die Jacke lässt die Tropfeh abperlen. Schon bald würde sich die Nässe auch in den Pulli einziehen. Ich weiß das, doch es ist mir egal. Ich bin nicht hier. Ich verlasse die Hülle des Michelinmännchens und schwebe über es hinweg voraus in den Wald. Den Weg kenn ich im Schlaf. Der Geruch des laubbedeckten, modrig-nassen Waldbodens steigt mir in die Nase. In meinen Ohren dudeln sanfte Klaviermusik, die von Streichern unterlegt wird. Melancholisch schön.

Meine Füße tragen mich vorbei an den Wildschweinen, die sich unbeeindruckt vom Wetter vergnügt austoben. Die nächste Generation der Frischlinge, die wir letztes Jahr noch gemeinsam bestaunten, suchen Schutz unter dem Bau der Mutter. Geborgenheit. Das Rotwild auf der anderen Seite hat sich tief in den WAld hinverzogen. Schließlich jagt man bei dem Wetter eigentlich keinen Hund vor die Tür.

Ich bleibe stehen, beobachte die Szenerie. Ein hartgesottenes Joggerpäarchen zieht an mir vorbei. Ein älteres Ehepaar steht mit dem Enkelkind am Wildschweingehege. Die Schirme schützen sie vor dem Regen. Ich atme tief ein. Kalte Herbstluft durchströmt meine Lungen. Das tut gut. Der Atemzug gibt mir Ruhe und Kraft. Ich ziehe noch ein paar Mal die Luft genüßlich ein, ehe ich mich erneut in Bewegung setze. Warum ich hier bin weiß ich auch nicht genau. In meinem Kopf ziehen Bilder und Gedanken vergangener Tage vorbei. Jetzt weiß ich’s wieder. Ich bin auf der Suche nach Antworten. Antworten auf Fragen, die ich mir schon hätte lang stellen sollen. Ich betrachte das Michelinmännchen, dass nun an der Waldlichtung angekommen ist. Welchen Weg wird es wohl nehmen? Es hält inne und schaut mich fragend an. Doch eine Antwort kann ich ihm nicht geben. Mir kommt das Gedicht „Spuren im Sand“ in den Sinn. Welchen Weg auch immer das Männchen nimmt, Gott ist bei ihm und nimmt es an die Hand. Und da ist er wieder, der Lichtstrahl, der sich durch die grauen Wolken und die kahlen Baumkronen seinen Weg sucht. Zuversicht. Hoffnung. Darauf will ich vertrauen. Ich werde wieder eins mit dem Michelinmännchen und setze meinen Weg fort. Ob ich getragen werde oder nicht weiß ich nicht genau, doch tief in meinem inneren spüre ich den Drang geradeaus zu gehen, nicht abzubiegen und nicht zurückzuschauen. Geradeaus, dorthin wo mich meine Füße tragen.

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