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Ein Stückchen Himmel

HirteMeinen diesjährigen weihnachtlichen Beitrag möchte ich dem Versuch widmen, den Zauber und den Kern der Weihnacht zu ergründen. Besonders freue ich mich, dass mir meine Gemeindepfarrerin Dr. Christine Schlund zu diesem Zweck ihre Weihnachtspredigt zur Verfügung gestellt hat.

Doch von vorn:

Heilig Abend, 16 Uhr, die evangelische St.Nikolai-Gemeinde ist restlos gefüllt, Stehplätze gibt es auch keine mehr. Kinder wie auch Erwachsene schauen sich um, beeindruckt vom großen Weihnachtsbaum und dem imposanten Bühnenbild vor dem Altar. Familien begegnen sich. Es gibt sie also doch noch: die familiären Traditionen. Eine davon ist, am Heiligen Abend in den Gottesdienst zu kommen. Der eine sucht Trost, die andere will am Heiligen Abend unter Menschen sein, wieder ein anderer möchte einfach die wunderschönen Weihnachtslieder hören. Warum die Menschen auch immer am Heiligen Abend in die Kirchen strömen – sie sind herzlich willkommen.

Stimmungsvoll fängt die versammelte Gemeinde an, die ersten Lieder zu singen. Und da ist sie wieder – jene Magie, die für mich der Weihnachtsgottesdienst ausmacht. Der Friede, der die Menschen im Haus Gottes eint, die Vorfreude, die sich am Ende im „O Du fröhliche“ ergießt.

Auch in diesem Jahr gibt es wieder ein Krippenspiel – natürlich. Ein unverzichtbarer Bestandteil von Weihnachten. Die Kindergruppen von St.Nikolai haben in diesem Jahr das Singspiel vom Räuber Horificus einstudiert. Für alle, die nicht dabei waren hier eine kurze Zusammenfassung:

„Dies ist ein Überfall, ihr zwei, gebt uns das Gold und Brot, und alles, was ihr so noch habt, sonst stechen wir euch tot.“ So spricht der Räuber Horificus zu Maria und Josef. Die ärmliche Behausung stört sie nicht, sie sehen nur, „dass dort etwas zu holen ist“.
Die Gier nach Geld und Reichtum ist also keine Erfindung der heutigen Gesellschaft, sie hat es schon immer gegeben. Doch geht es in dem weihnachtlichen Singspiel „Der Räuber Horificus“ etwas anders aus, als man es gemeinhin erwartet. Maria und Josef geraten nicht in Panik, sie haben die Ruhe und Kraft von Gott erhalten, auch mit einer solchen Situation fertig zu werden. So sagt Josef denn auch zu den Räubern: „Was könnt ihr uns schon tun. Die Kiste Gold, die ist’s nicht wert, Hauptsache das Kind kann ruhn.“ Solches Gottvertrauen haben sie in der Gewissheit, das Jesus etwas Besonderes ist und sie alle zusammen beschützt werden. Und auch der Räuber Horificus kommt samt seinen Kumpanen zu neuen Einsichten: „Nein, kleinen Kindern tu ich nichts, das hab ich nie getan. Ach, dieses liebe Kindlein schaut mich so hilflos an.“ Auch der Engel Gottes klärt die Räuber auf. „Dies Kind ist Gottes Sohn, gesandt in diese Welt, damit in Freuden wir hier leben, so wie es Gott gefällt.“

Traditionell folgt im Anschluss an das Krippenspiel die Weihnachtspredigt. Mir hat diese in diesem Jahr so gut gefallen, dass ich Christine Schlund gefragt habe, ob ich ihre Predigt hier veröffentlichen dürfe. Und ich darf. Herzlichen Dank dafür!

Was feiern wir an Weihnachten -Alle Jahre wieder? Und warum sind wir so aufgeregt, so gespannt, dass wir es jetzt gleich keine Sekunde länger mehr aushalten wollen?? Das ist, weil wir uns so freuen. Weil zuhause gleich alles ganz anders sein wird als sonst. Ein ganz normales Zimmer, in dem wir tagaus, tagein alles Mögliche tun, sitzen, spielen, lesen, essen, fernsehen – auf einmal ist daraus ein Stückchen Himmel geworden – so schön, so festlich, so erleuchtet. Alles ist so anders. Und die Geschenke, auf die vor allem Ihr Kinder euch jetzt schon so riesig freut, dass ihr gar nicht mehr so lange hier in der Kirche sitzen möchtet, die gehören ja auch dazu, dass heute, an Weihnachten, alles ganz anders ist. Dass wir uns Geschenke machen, dass wir uns lange überlegen, wie wir einander eine Freude machen können – das ist auch ganz anders als oft im täglichen Leben, wenn wir lieblos, hektisch und gereizt aneinander vorbeigehen und oft einfach keine Zeit füreinander haben – oder sie uns nehmen wollen.

An Weihnachten ist alles anders. Der Himmel kommt auf die Erde.

So geht’s auch dem Räuber Horrificus und seinen Freunden. Als sie dem Jesuskind begegnen und seinen Eltern, da merken sie: alles kann ganz anders sein, ich selbst kann ganz anders sein. Bloß weil ich schon immer so war, weil es schon immer so war, muss es nicht immer so bleiben. Eingefahrene Verhaltensweisen, Gewohnten, Rollenzuweisungen können auch durchbrochen werden. Maria erschrickt sich ja gar nicht: Sei leise, das Kind schläft, sagt sie. Sie fürchtet sich gar nicht vor mir. Sonst haben sich immer alle gefürchtet. Was soll ich denn davon halten? Und Josef, er sagt: Die Kiste Gold, die ists nicht wert, Hauptsache, das Kind kann ruhn! Diese Leute haben irgendwie ganz andere  Prioritäten, sie finden anderes wichtig. Nicht ihren Besitz. Dabei haben sie doch die tolle Goldkiste grade erst geschenkt gekriegt von den drei Königen. „Sei leise, das Kind schläft“ – Deeskalation nennt man das. Ich tue nichts dazu, dass sich die Spirale von Unfrieden und Gewalt immer weiter dreht – sondern ich verhalte mich ganz anders: total überraschend. Jesus, als er groß war hat das ganz besonders gut gekonnt.

Weihnachten verändert die Wohnzimmer, verändert die Menschen. Im Kind und seinen Eltern  entdecken die Räuber, wer sie eigentlich sein könnten – wer sie eigentlich sind – hinter und unter ihrer Rolle als dem ewigen Bösen, dem immer alle Schuld gegeben wird. An Weihnachten sagt Gott: im Menschsein stecken so viele postive Möglichkeiten – sogar ich werde Mensch – werde Mensch als Kind in der Krippe.

Weihnachten ist, wenn ich das Positive im Anderen sehe, ihn so sehe, wie Gott ihn sich gedacht hat – im Weihnachtslicht. Und: Wenn ich selbst spüre, dass ich die sein darf, die ich eigentlich bin, die, als die ich mich eigentlich fühle.

In solchen Momenten wird Weihnachten entschieden. Nicht durch die Größe des Bildschirms, die Pixelanzahl, die Speicherkapazität der Festplatte.

Weihnachten wird entschieden in den kleinen Momenten in denen ich mich als die fühlen darf, die ich bin. Alte Rollen ablegen darf. Wenn ich mich angesprochen fühle, an-gerührt in meinem Innersten. Das ist Weihnachten.

 Uns allen wünsche ich, dass wir an diesem Weihnachtsfest spüren können, wie das göttliche Kind uns verändert – gerade da, wo vieles so festgefahren scheint. Siehe ich mache alles neu, sagt Jesus im Neuen Testament. An Weihnachten kann alles anders werden. Amen

Pfarrerin Dr. Christine Schlund
St.Nikolai-Gemeinde Berlin-Spandau, Heiliger Abend 2011

In diesem Sinne wünsche ich Euch und uns allen, dass der Zauber dieser Heiligen Nacht in unsere Herzen einzieht und unsere Seelen Gottes Frieden spüren. Frohe und gesegnete Weihnachten!

 

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