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Abschied von der Evangelischen Jugend

Seit nunmehr 15 Jahren bin ich in und für die Evangelische Jugend ehrenamtlich aktiv. Das ist mein halbes Leben. Heute ziehe ich einen Schlussstrich unter dieses Kapitel.

Viele bemerkenswerte Menschen habe ich durch den Dienst in der Kirche kennengelernt, viele Freundschaften sind entstanden und ich habe viel durch mein Ehrenamt gelernt. Als Berliner fehlt einem anfangs das Verständnis für die Realitäten in Brandenburg oder der schlesischen Oberlausitz. Durch die Evangelische Jugend habe ich auch diese Regionen, ihre Menschen, ihre Anliegen und Bedürfnisse kennengelernt. Das wäre mir so wohl nie möglich gewesen.

Ich gehöre zu der Generation ehrenamtlicher Jugendlicher, die in einer besonderen Zeit für die Kirche aktiv geworden sind. Als ich anfing mich zu engagieren, da gab es tiefe Gräben zwischen Berlin und Brandenburg. An die Oberlausitz war da noch nicht zu denken. 2005 besuchten wir mit der Jugendkammer Berlin-Brandenburg zum ersten Mal die Oberlausitz. Die Jahre danach waren von einem neuen Geist geprägt. Es wuchs zusammen, was zusammengehörte. Eine neue Evangelische Jugend wuchs heran. Mal mit mehr Stolpersteinen, mal mit weniger Widerstand. Aber immer vereint im Evangelium des Herrn.

Heute begleite ich die Geschicke „meiner“ Evangelischen Jugend nur noch aus der Beobachter- und manchmal auch aus der Beraterrolle. Die Ordnung, an der ich selbst mitgeschrieben habe, erlaubt mir aus Altersgründen nicht mehr, mich dort zu engagieren. Und das ist auch richtig so. Allein in der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) bin ich seit sechs Jahren ehrenamtlich für die Evangelische Jugend aktiv.

Die Evangelische Jugend hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Ich übernehme nun auch politisch Verantwortung für unsere Gesellschaft und bringe mich – so gut ich eben kann – ein.

In die Landessynode wurde ich als Vertreter der Evangelischen Jugend berufen. Ich merke jedoch zunehmend, dass ich diesem hohen Auftrag nicht mehr gerecht werden kann. Zu oft habe ich Ausschusssitzungen oder auch Synodaltagungen absagen müssen, da mittlerweile berufliche Termine entgegenstanden oder ich meinen Verpflichtungen als Verordneter nachkommen muss.  Bis zum Ende des Berufungszeitraums sind es nun noch gut zwei Jahre. Das Engagement in der Synode erfordert insbesondere für einen Jugendlichen ein hohes Maß an politischem Gespür und Einfühlungsvermögen. Die Synode hat andere, ganz eigene Regeln, die man aus Jugendgremien so nicht kennt.

Ich habe daher den Ältestenrat der Landessynode heute gebeten, mich von meinem Ehrenamt in der Synode abzuberufen und der Jugendkammer die Chance zu geben, ein neues Mitglied für die Berufung vorzuschlagen. So hätte dieses neue Mitglied dann die Gelegenheit, sich die letzten 1,5 bis zwei Jahre in die Synodenarbeit einzudenken und so besser entscheiden zu können, ob der- oder diejenige sich für eine weiteren Berufungszeitraum zur Verfügung stellt.

Das war kein ganz einfacher Schrit für mich, aber wohl der richtige. Die Anliegen von Jugendlichen können halt doch am besten durch Jugendliche selbst vertreten werden. Dafür stand ich die letzten 15 Jahre und dafür stehe ich auch weiterhin. Die Zeit in und mit der Evangelischen Jugend werde ich nie vergessen und tief in meinem Herzen tragen.

 

Meine Zeit in der Evangelischen Jugend im Rückblick:

„Sorry, ich schaff’s heute nicht…“

Mein Handy summt. „Sorry, ich schaff’s heute nicht. Tut mir echt leid, aber ich hab heute einfach zu schlecht geschlafen.“ Es wundert mich eigentlich nicht. Trotzdem bin ich mal wieder enttäuscht und ziemlich sauer über die leichtfertige Entscheidung, ein Treffen so kurzfristig abzusagen. Noch dazu mit einer Begründung, die mir als überzeugend so überhaupt nicht einleuchten möchte.
Aber auch „Hey Süße, es tut mir wirklich leid, aber ich schreibe Mittwoch und Freitag Klausuren und muss noch so viel lernen. Können wir unser Treffen heute verschieben?“ tragen nicht zu meiner Erheiterung bei. Natürlich weiß ich, dass es so das Beste ist, denn selbst wenn das Treffen zustande käme, wäre mein Gegenüber in Gedanken sowieso nur bei seinen Klausuren. Und ich würde mir den Kopf darüber zerhämmern, ob man die Daten für Klausuren nicht schon so lange im Voraus wissen müsste, um vergleichbare SMS vermeiden zu können, wenn man nur den Mut gehabt hätte, im Vorfeld mal zu sagen „Ich würde Dich wirklich gerne sehen, aber in der Woche werde ich es wohl nicht schaffen, weil ich so viele Klausuren zu schreiben habe“…
Hat man sich in einem netten Café oder Restaurant verabredet, ist die Nachricht zwar sehr ärgerlich, aber weitere wirkliche Konsequenzen hat sie nicht. Anders ist es, wenn ich die Einladende zu einem leckeren Essen bei mir war und nun überlegen muss, wohin mit den überflüssig gekauften Lebensmitteln. Trotzdem verwenden, um viel zu viel meines schmackhaften Essens herzustellen? Die überschüssigen Lebensmittel liegen lassen, um sie an einem anderen Tag zu verwenden? Sie vielleicht demjenigen vor die Tür legen, für den man sie eigentlich gekauft hat?
Es geht hierbei weniger um die Ausgaben. Es geht wie so oft ums Prinzip. Fragt mich jemand, ob ich an diesem oder jenem Tag Zeit für ein Treffen habe, überlege ich, ob ich diese Frage bejahen oder aus leidlichen Gründen verneinen muss, selbst wenn ich wirklich Lust aufs Treffen habe. Habe ich mich verabredet, halte ich das Treffen ein. Merke ich, dass es zeitlich doch nicht klappt, melde ich mich rechtzeitig, besonders, wenn abgesprochen war, dass zusammen gegessen werden sollte. Selbstverständlich gibt es unvorhergesehene Situationen, die von jetzt auf nun als voll und ganz verständliche Erklärungen genügen, aber von denen habe ich bisher noch keine in den SMS Typ „Sorry, ich schaff’s heute nicht, weil …“ gehabt.
Ich möchte nicht behaupten, dass ich nie Verabredungen absage, und auch ich habe schon SMS geschrieben mit ähnlichen Inhalten wie den oben erwähnten, aber nicht drei Stunden vor dem Treffen.
Inzwischen fühle ich mich immer mehr wie die pedantische Dumme, die ziemlich allein ist mit ihrem Vorwurf, dass viele endlich mal wieder lernen sollten, eine Verabredung als etwas anzusehen, was nicht leichtfertig und ohne nachzudenken abgesagt werden sollte. Ich habe gute Freunde, bei denen ich von vornherein weiß, dass die abgemachte Verabredung nicht zustande kommen wird, obwohl sie anfangs glaubhaft versichern, dass sie sich auf das Treffen freuen. Das schwächt auf Dauer das freundschaftliche Vertrauen und ist dazu noch ein unterschwellig transportiertes Statement: Eine Verabredung mit Dir ist mir nicht so wichtig, als dass ich sie nicht bei jeder kleinsten Änderungen meiner sonstigen Vorhaben absagen würde.
Ich frage mich, ob wir so vielleicht ab sofort mit unserem Arbeitgeber umgehen sollten. „Sorry, Chef, ich hab die ganze Nacht durchgefeiert, ich schaff’s leider nicht zu meinem Termin.“ Wir würden uns gegenüber unseren Vorgesetzten üblicherweise nicht trauen, Termine aus wenig triftigen Gründen abzusagen. Da klappt es doch mit der Verbindlichkeit, warum nicht auch im Alltag? Weil man mit seinem Vorgesetzten nicht auf einer Stufe steht und im Job vor allem befürchten muss, dass eine Missachtung eines Termins, wie die Verabredung in der Berufswelt genannt wird, Nachwirkungen haben kann?
Vielleicht werden Verabredungen im Alltag deshalb so häufig abgesagt, weil wir im Berufsleben – und ich schließe hier auch jede berufliche Ausbildung mit ein – schon genug davon haben. Der enorme Termindruck, unter dem man mehr und mehr steht, soll nicht auch im Alltag zu spüren sein. Das sehe ich sogar ein, aber eine Rechtfertigung für eine Absage fünf Minuten vor Toresschluss erkenne ich hierin nicht.
Wir würden alle davon profitieren, wenn Verabredungen in unserem sozialen Miteinander als ebenso verbindlich angesehen werden wie jene aus der Berufswelt. Vielleicht sollte man sich häufiger die Frage stellen, ob man ein Treffen auch absagen würde, wenn es sich dabei um einen Termin im Job handeln würde. Ich plädiere nicht für eine zwangsläufige Einhaltung jeder Verabredung, wenn es nachvollziehbare Gründe für eine Absage gibt. Aber ein bisschen mehr „Ja!“ zu einem zuvor freiwillig vereinbarten Treffen, auch wenn die Umstände nicht die idealsten sind (wann hat man die denn schon?), und weniger „Sorry, ich schaff’s heute nicht, weil ich schlecht geschlafen habe“ würden einer Freundschaft und unserem Miteinander gut tun. Und mal ehrlich: Wir hatten alle schon mal Verabredungen, auf die man vorher keine Lust hatte, weil irgend etwas angeblich dazwischengekommen ist. Und danach sagen wir nicht selten: „Es war schön. Hat sich gelohnt.“
Also: Nehmen wir Verabredungen ernst. Denken wir im Vorfeld ehrlich darüber nach, ob wir überhaupt Zeit dafür haben (ein ehrliches Nein tut weniger weh als eine kurzfristige Absage!). Freuen wir uns schließlich drauf, auch wenn wir plötzlich meinen, es nicht zu schaffen. Erkennen wir ein Treffen mit Freunden als willkommene Erholung von unserem sonst so terminbeladenen Alltag an. Und seien wir schließlich so rücksichtsvoll, eine notwendige Absage rechtzeitig zu formulieren. Uns selbst bringt das nicht weiter, aber demjenigen, dem man die Absage schreibt, hilft es. Und auf Dauer auch der Freundschaft.