Informationen werden heutzutage in rasender Geschwindigkeit verbreitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Informationen wichtig sind (z.B. Berichte von den Demonstrationen im Iran) oder sich in einer gewissen Banalität verlieren („Trinke gerade Kaffee“).
Der Informationsfluss wird immer schneller. Während früher Pressemitteilungen noch „revolutionär“ via Fax übermittelt wurden, geht heute ohne Email eigentlich gar nichts mehr. Ist ja auch einfacher: Mit einem Klick verschwindet der Text vom eigenen Rechner und taucht bei den zahlreichen Redakteuren wieder auf, um dort mehr oder weniger bearbeitet in das eigene Textbearbeitungsprogramm hineinkopiert zu werden. Fertig. Früher musste man die Meldungen ja noch abtippen…
Seit kurzem hat die Welt nun Twitter entdeckt. Eine Erfindung, die den Informationsfluss noch einmal erheblich verschnellert und eigentlich schon etwas älter ist, aber doch ihre gesellschaftliche Relevanz erst durch den Amoklauf in Winnenden erlangt hat. Seitdem twittert alle Welt und auch die Zeitungen und Politiker machen mit.
Ist auch alles sehr einfach: In 140 Zeichen kann man einer anonymen Leserschaft mitteilen, was man denkt, fühlt oder tut. Der Leser selbst kann ja entscheiden, was wichtig ist oder nicht.
Doch dieses Instrumentarium ist mächtig. Sehr mächtig. Erlaubt es uns doch mit zahlreichen Menschen in Kontakt zu kommen, um „Informationen“ (zu deren Relevanz habe ich bereits etwas gesagt) zu verbreiten. Google durchforstet diese „Tweets“ dann auch noch in rasend schneller Zeit und so kann man wunderbar in aller Welt gefunden werden, auch wenn man nur 20 oder 30 Abonnenten seiner Tweets hat. Diese Macht des Instrumentariums kann man positiv, aber natürlich auch negativ nutzen.
Während im Iran Twitter zum Hauptkommunikationsmedium avonciert und damit die berechtigten Massenproteste unterstützt, berichtete der Spiegel am vergangenen Wochenende von der potentiellen Möglichkeit, dass gezielte Informationen am Tag der Bundestagswahl das Wahlverhalten der Wechselwähler beeinflussen könnte: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,632942,00.html
Erst wenige Tage zuvor hatte ich von einem Mitglied des Bundestages erfahren, dass es die sogenannten „exit polls“ (also Umfragen zum Wahlausgang) überhaupt gibt und sie den Parteien am Wahltag bereits um 12 und um 16 Uhr mitgeteilt werden. Die Umfragen um 16 Uhr sind mittlerweile so genau, dass die Abweichung zum amtlichen Endergebnis nur noch minimal ist. Die Kandidaten wissen also bereits um 16 Uhr, ob es etwas aus der Karriere als MdB oder MdEP werden könnte oder ob gewisse Koalitionskonstellationen Mehrheiten bekommen… Dieses Wissen ist Macht!
Nun kommen wir wieder zum immer schneller werdenden Informationsfluss. Alle wollen mitschwimmen, doch langsam muss man sich fragen: „Mit welcher Arbeitskapazität?“. Doch das ist ein anderes Thema für einen späteren Blogeintrag.
Der Reiz derzeit ist doch: Wer meldet die Sensation zuerst!?! Zugegebenermaßen gehörte auch ich dazu, als ich aus der Synode live via Twitter berichtete und den Ausgang der Bischofswahl verkündete. Ähnliches war es bei der Bundespräsidentenwahl. Da ich scheinbar den „richtigen“ Menschen auf Twitter folgte, wusste ich bereits vor der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses, dass Horst Köhler gewählt worden war.
Angeblich sollen laut dem oben genannten Spiegel-Artikel auch bei der Europawahl die exit polls veröffentlicht worden sein. Zumindest hier hat das keine große Rolle gespielt. Heute morgen kamen Gerüchte auf, das es ein Spiegel-Redakteur war, der die exit polls veröffentlicht hatte.
Eine weitere – in meinen Augen abstruse – Erfindung sind Seiten wie wahlgetwitter.de. Auf diesen Seiten werden die Tweets der Twitternutzer ausgewertet. In folgendem Beitrag werden hier Voten wie CDU+ oder CDU- ausgelesen: „@cdu_news http://twitpic.com/8qy51 – #Regierungsprogramm-Kongress: Großes Medieninteresse in Berlin #cdu+ #csu+“
Die Seite bündelt diese Voten und will deutlich machen, wie momentan die politische Stimmung auf Twitter ist. Warum? Es hat doch keinerlei Relevanz noch Aussage, denn ich kann in meine 140 Zeichen doch auch einfach so oft #aaa- schreiben wie ich es Twitter zulässt und es würde ausgewertet werden! Dabei spielt es keine Rolle, ob da ein politischer Skandal aufgedeckt wurde oder ob der politische Mitbewerber nun der Meinung ist, dass z.B. die eine Aussage unglücklich gewählt war.
Sowohl die Diskussion um den Informationsfluss, als auch um die exit polls führen einem vor Augen, dass es noch keinen Ehren-Codex für Twitter oder auch das Internet insgesamt gibt! Was für Internetforen bereits allgemein gültig vorgeschrieben ist, sollte auch für Twitter und Co eingeführt werden! Hier meine Forderungen:
- Keine Beleidigungen!
- Kein Wahlkampf mehr am Wahltag!
- Fair bleiben!
- Abschaffung wertender Hashtags!
Mein frommer Wunsch wäre dann noch, dass der Informationsfluss etwas weniger schnell wird… momentan ist es einfach eine wahre Informationsflut, die kaum noch gefiltert werden kann.
So, hier ende ich nun und merke, dass ich schon wieder zu diesem Thema zwei oder drei andere Einträge schreiben könnte…
Schreibt mir Eure Meinung! Hier oder auf Twitter: http://twitter.com/Thorsten_Schatz